Hamburg - Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft BDO und das Wirtschaftsmagazin 'impulse' zeichnen zum fünften Mal erfolgreiche Unternehmenssanierer aus
Die SinnLeffers GmbH, die Schweizer Electronic AG und die S.A.G.
Solarstrom AG sind die "Turnarounder des Jahres 2010". Im Rahmen
einer festlichen Preisverleihung in der Berliner
Bertelsmann-Repräsentanz nahmen gestern Abend die Firmenchefs den von
der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft BDO und dem Wirtschaftsmagazin
'impulse' bereits zum fünften Mal vergebenen Preis entgegen. "Mit
dieser Auszeichnung würdigen wir die Leistungen vieler deutscher
Firmen, in denen es Management und Mitarbeitern trotz wirtschaftlich
schwieriger Situation gelungen ist, Unternehmen und Arbeitsplätze zu
erhalten", beschreibt Christian Dyckerhoff, Vorstand von BDO und
Jury-Mitglied, die Idee des Wettbewerbs. Dr. Nikolaus Förster,
Chefredakteur 'impulse': "Die diesjährigen Preisträger zeigen wieder
einmal, dass mit Einsatz, Kreativität, Hartnäckigkeit,
Durchsetzungswillen und Kompromissfähigkeit auch bei scheinbar
hoffnungslosen Fällen ein erfolgreicher Turnaround möglich ist."
Neben der Trend-Umkehr zu tragfähigem Wachstum bewertet die
Experten-Jury vor allem die konsequente Umsetzung des erstellten
Sanierungskonzeptes. Bei diesem Wettbewerb werden Unternehmer
ausgezeichnet, die existenzgefährdende Entwicklungen ihrer Firmen
durch innovative und mutige Schritte gemeistert haben. Der Preis wird
in den Betriebsgrößenklassen bis 500, bis 1.000 und über 1.000
Beschäftigte vergeben.
"Turnarounder des Jahres 2010" in der Größenklasse über 1.000
Beschäftigte sind Patrick Feller und Karsten Oberheide,
Geschäftsführer der SinnLeffers GmbH mit Sitz in Hagen. Von 2001 bis
2005 gehörte die Modehauskette zum Karstadt-Konzern, der mit
SinnLeffers nicht viel anfangen konnte. So verlor SinnLeffers auf
Grund von Sortimentsüberschneidungen von bis zu 70 Prozent im nahezu
gleichen Preis-Segment wie Karstadt sein klares Profil - bedingt
durch den Zentral-Einkauf. Von 2000 bis 2005 büßte das Unternehmen
zudem pro Jahr etwa 7,3 Prozent seines Umsatzes ein. 2005 schließlich
verkaufte Karstadt SinnLeffers an die DIH Deutsche Industrie-Holding
mit dem ehemaligen Wella-Chef Peter Zühlsdorff als Eigentümer. DIH
setzte auf ein am klassischen gehobenen Modehandel orientiertes
Konzept, Benchmark sollten beispielweise Wöhrl und Peek &
Cloppenburg, nicht aber C&A sein. Höherpreisige Marken wie Boss, Gant
und Wellensteyn wurden als Lieferanten hinzugewonnen. Auch
betriebswirtschaftliche Standard-Maßnahmen wie Kostensenkungen,
Marketingmaßnahmen und Steigerung der Mitarbeitermotivation gehörten
dazu. Dadurch ließ sich dennoch das Kernproblem nicht beseitigen - zu
hohe Mietkosten für das Filialnetz. Die profitablen Häuser konnten
die unprofitablen schließlich nicht mehr auffangen. Aus diesem Grund
entschloss sich das Management wegen drohender Zahlungsunfähigkeit zu
einem Insolvenz-Planverfahren in Eigenverwaltung, um erst zu sanieren
und dann die Geschäfte wieder aufnehmen zu können. Obwohl zu früh
Details des Plans durchsickerten, gelang es den beiden
Geschäftsführern, Banken, Presse und Mitarbeiter zu überzeugen, dass
das dem amerikanischen Chapter-11-Verfahren ähnliche Konzept keine
Pleite bedeutete. Mit Erfolg: Die Gläubiger-Versammlung segnete das
Sanierungs-Konzept ab. Für 23 Verlusthäuser wurden die Mietverträge
gekündigt, für die verbleibenden 24 konnten bessere Konditionen
ausgehandelt werden. Heute sind alle Häuser wieder im Plus, zum
ersten Mal in zehn Jahren hat das Netz Gewinn abgeworfen. Nur die
Filiale in Dresden ist noch nicht soweit. "Da gibt es gerade
Umbauarbeiten. Wir wollen expandieren", sagt Feller.
"Turnarounder des Jahres 2010" in der Betriebsgröße bis 1.000
Mitarbeiter ist Dr. Marc Schweizer, Vorsitzender des Vorstandes der
Schweizer Electronic AG im baden-württembergischen Schramberg. Der
1849 gegründete Leiterplatten-Produzent, seit sechs Generationen in
Familienhand, stand vor fünf Jahren nicht nur sprichwörtlich vor
einem Schutthaufen: Ein Großfeuer hatte das Produktionsgebäude in
Schamberg vollständig zerstört. Darüber hinaus litt das
Traditionsunternehmen darunter, dass bei zu hohen Kosten und zu
geringem Umsatz produziert wurde. "Gesund wachsen" mit steigenden
Verkäufen ohne zu sparen, hieß lange das Motto, "Gesund wachsen
funktioniert nicht", konstatierte Marc Schweizer. Als er 2007 als
Vorstandschef antrat, war schnell klar, dass eine neue Strategie her
musste. Zu den vorhandenen Problemen kam noch die Wirtschaftskrise,
so dass das Unternehmen allein im ersten Halbjahr 2009 ein Minus von
sechs Millionen Euro verbuchte, was dem damaligen Börsenwert
entsprach. Harte Einschnitte wurden notwendig: die Schließung des
zweiten Werkes, die Kürzung der Belegschaft um ein Fünftel, die
Optimierung der Abläufe, der Aufbau eines Finanzbereichs, die
Abschaffung von Privilegien und die Aufgabe unrentabler
Geschäftsbereiche. Dr. Schweizer legte bei Kunden und Banken zum
ersten Mal in der Familiengeschichte die Karten auf den Tisch.
Gleichzeitig suchte er zum einen nach einem Partner in Fernost für
die kostengünstige Massenfertigung und zum anderen einen Großabnehmer
im Solarbereich als zusätzliches Standbein. Heute liegt der
Aktienkurs - vor zwei Jahren noch bei zwei Euro - bei knapp 30 Euro.
Eine gegenseitige Beteiligung mit dem japanischen
Leiterplatten-Riesen Meiko Electronics ist unter Dach und Fach,
Schweizer Electronic wird in Zukunft die Innovationen und Kleinserien
in Deutschland herstellen, Meiko die Massenreihen in Fernost. Ein
mehrjähriger Liefervertrag mit SMA Solar wurde just unterschrieben.
Das Unternehmen ist wieder in den schwarzen Zahlen. Und, so
Schweizer: "Unsere Mitarbeiter müssen nicht ihr ganzes Leben in
Schramberg bleiben. Jetzt haben wir statt guter Luft auch Tokio im
Angebot."
"Turnarounder des Jahres 2010" in der Größenklasse bis 500
Beschäftigte ist Dr. Karl Kuhlmann, Vorsitzender des Vorstandes der
S.A.G. Solarstrom AG in Freiburg. Das 1998 gegründete Unternehmen
hatte das Geschäft mit der Planung, Errichtung und Betreuung von
Solarstrom-Anlagen stetig ausgebaut. Der Umsatz wurde bis 2006 auf 70
Millionen Euro gesteigert, nur profitabel war S.A.G. nicht, sondern
schob vielmehr Millionen-Verluste vor sich her. Die Banken drängten
S.A.G., einen Investor ins Unternehmen zu holen. 2007 stieg Dr. Karl
Kuhlmann mit seiner Beteiligungsgesellschaft BBV ein. Er kaufte
zunächst zehn Prozent der Anteile und ging in den Aufsichtsrat. Für
ihn waren die Probleme in erster Linie hausgemacht, aber lösbar, und
lagen hauptsächlich im kaufmännischen Bereich. Ein erster Schritt war
daher die konsequente Prüfung sämtlicher Projekte auf Profitabilität.
Dabei stellte sich schnell heraus, dass das größte Problem der S.A.G.
das Großprojekt Solarpark Gut Erlasee war, wo das Unternehmen 2006
zusammen mit Solon auf einer Fläche von 77 Hektar für 70 Millionen
Euro die damals weltgrößte Anlage dieser Art errichtete und sich
dabei komplett verhob. "Verlustmaximierung" habe die Firma damals
betrieben, so Kuhlmann. Im Juli 2008 wechselte er auf den Posten des
Vorstandsvorsitzenden und trimmte alle Prozesse radikal auf
Effizienz. Der "ohne Widerspruch" durchgeführte Umbau führte dazu,
dass viele der heutigen 170 Angestellten erst seit 2007 im
Unternehmen sind. Außerdem stellte Dr. Kuhlmann rund ein Dutzend
Controller und Finanzbuchhalter ein, um bei den Banken durch totale
Transparenz wieder Vertrauen zu gewinnen. Das Unternehmen erhielt
zeitweise keine Kredite mehr. Den ersten Gewinn machte S.A.G. bereits
2007, die Banken gaben frisches Geld und für 2010 sind bei Umsatz und
Gewinn neue Rekorde angepeilt. Und auch einen neuen großen Solar-Park
wird S.A.G. bis April 2011 bauen: auf 150 Hektar in der Nähe von
Venedig mit einer Leistung von 48 Megawatt Strom, genug für eine
Stadt mit 50.000 Einwohnern.
"Auch im fünften Jahr unseres Preises konnten wir Unternehmen
auszeichnen, die sich trotz sehr großer geschäftlicher Probleme
erfolgreich saniert haben", so Christian Dyckerhoff. Dr. Nikolaus
Förster: "Diese drei Firmen sind beste Beispiele dafür, nicht den Mut
zu verlieren und mit vereinten Kräften die Trendwende zu schaffen."
Mitglieder der Jury sind, neben Christian Dyckerhoff und Dr. Nikolaus
Förster, Martin Fischedick, Bereichsvorstand Corporate Banking der
Commerzbank AG, Prof. Dr. Hans-Jürgen Kirsch, Institut für
Rechnungslegung und Wirtschaftsprüfung der Westfälischen
Wilhelms-Universität Münster, Dr. Lutz Mackebrandt, Vizepräsident des
Bundesverbandes Deutscher Unternehmensberater BDU e. V., Albrecht von
der Hagen, Hauptgeschäftsführer von DIE FAMILIENUNTERNEHMER-ASU e.V.,
sowie Dr. Matthias Wittstock, Leiter des Referats Mittelstandspolitik
im Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie.
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