In der konventionellen Hähnchenhaltung setzen Mäster immer mehr Antibiotika ein. Nach Angaben des niedersächsischen Landwirtschaftministeriums wurden vor zehn Jahren im Schnitt 1,7 Behandlungen pro Mastdurchgang angewendet, heute sind es etwa 2,3 Behandlungen.
Die Leiterin der Abteilung Verbraucherschutz und
Tiergesundheit, Heidemarie Helmsmüller, sagte NDR Info, dass in der
Massentierhaltung der Einsatz von Antibiotika die Regel sei. Ohne
Einsatz der Mittel schafften es die Hühner in großen Ställen häufig
nicht, bis zum Ende ihrer Mastzeit zu überleben, so Helmsmüller. Die
Tiere bekommen, wie auch in der Humanmedizin, mit einer Behandlung
mehrere Tage lang Antibiotika. Der ehemalige Leiter des
Veterinäramtes in Cloppenburg, Hermann Focke, geht davon aus, dass
die tatsächlichen Antibiotika-Gaben bundesweit wesentlich höher sind.
Er bezieht sich auf Informationen aus dem Ministerium, die in einer
tierärztlichen Fachzeitschrift veröffentlicht wurden. Danach sind
sogar drei bis sechs Antibiotika-Behandlungen nicht selten. "Deswegen
können wir davon ausgehen, dass Masthähnchen nicht selten rund zwei
Drittel ihrer Lebenszeit Antibiotika bekommen - sie leben ja nur 32
Tage", so Focke.
Genaue Zahlen, wie viele Medikamente insgesamt in Deutschland
eingesetzt werden, gibt es nicht. Ab 2012 soll nach einer
Bundesverordnung eine Datei erfassen, in welche Postleitzahlenregion
wie viele Medikamente geliefert werden. Eine Ausnahme wird es in der
Geflügelbranche geben. Hier wird nicht aufgeschlüsselt, wohin die
Medikamente geliefert werden. Nach Angaben des
Bundeslandwirtschaftsministeriums sind datenschutzrechtliche Bedenken
der Grund dafür. Mehrere Tierärzte bezweifelten gegenüber NDR Info
diese Begründung. "Dass es ausgerechnet in der Geflügelbranche keine
aufgeschlüsselten Daten geben soll, ist ein Skandal", so der
Veterinär Rupert Ebner, "hier dürfte die Geflügelwirtschaft viel
Druck auf die Politik ausgeübt haben." Auch das niedersächsische
Landwirtschaftsministerium hätte detaillierte Zahlen begrüßt, so
Helmsmüller. Zu starker Einsatz von Antibiotika kann bei Menschen
dazu führen, dass sich Resistenzen bilden, also die Mittel im Falle
einer Krankheit wirkungslos sind.
Niedersachsen ist das Bundesland mit der größten Geflügeldichte,
allein hier stehen mehr als die Hälfte aller Hühner-Mastbetriebe in
Deutschland. Der Verzehr von Hähnchenfleisch ist in den vergangenen
Jahren immer mehr gestiegen. Die sogenannte Besatzdichte bei
Masthähnchen liegt bei 39 Kilo, das heißt auf einem Quadratmeter
leben rund 24 Hühner. Je enger es in den Ställen wird, desto höher
ist das Risiko für Krankheiten. Seit 2006 dürfen Mäster Antibiotika
nicht mehr als Wachstumsförderer verfüttern, der Tierarzt gibt
Medikamente nur noch, wenn Tiere krank sind. Trotzdem ist der
Verbrauch an Antibiotika gestiegen. Auch wenn nur wenige Hühner krank
sind, bekommen alle Tiere die Mittel, meistens leben mehrere
Zehntausend in einem Stall. "So gibt es zwar ein Verbot für
Antibiotika als Wachstumsförderer, aber trotzdem werden mehr
Antibiotika gegeben - das ist absurd und gefährlich für den
Menschen", so Veterinär Ebner gegenüber NDR Info.
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