Montag, 25. Oktober 2010

Antibiotika-Einsatz in der Masthähnchenhaltung weiter gestiegen

In der konventionellen Hähnchenhaltung setzen Mäster immer mehr Antibiotika ein. Nach Angaben des niedersächsischen Landwirtschaftministeriums wurden vor zehn Jahren im Schnitt 1,7 Behandlungen pro Mastdurchgang angewendet, heute sind es etwa 2,3 Behandlungen.
Die Leiterin der Abteilung Verbraucherschutz und 
Tiergesundheit, Heidemarie Helmsmüller, sagte NDR Info, dass in der 
Massentierhaltung der Einsatz von Antibiotika die Regel sei. Ohne 
Einsatz der Mittel schafften es die Hühner in großen Ställen häufig 
nicht, bis zum Ende ihrer Mastzeit zu überleben, so Helmsmüller. Die 
Tiere bekommen, wie auch in der Humanmedizin, mit einer Behandlung 
mehrere Tage lang Antibiotika. Der ehemalige Leiter des 
Veterinäramtes in Cloppenburg, Hermann Focke, geht davon aus, dass 
die tatsächlichen Antibiotika-Gaben bundesweit wesentlich höher sind.
Er bezieht sich auf Informationen aus dem Ministerium, die in einer 
tierärztlichen Fachzeitschrift veröffentlicht wurden. Danach sind 
sogar drei bis sechs Antibiotika-Behandlungen nicht selten. "Deswegen
können wir davon ausgehen, dass Masthähnchen nicht selten rund zwei 
Drittel ihrer Lebenszeit Antibiotika bekommen - sie leben ja nur 32 
Tage", so Focke.

   Genaue Zahlen, wie viele Medikamente insgesamt in Deutschland 
eingesetzt werden, gibt es nicht. Ab 2012 soll nach einer 
Bundesverordnung eine Datei erfassen, in welche Postleitzahlenregion 
wie viele Medikamente geliefert werden. Eine Ausnahme wird es in der 
Geflügelbranche geben. Hier wird nicht aufgeschlüsselt, wohin die 
Medikamente geliefert werden. Nach Angaben des 
Bundeslandwirtschaftsministeriums sind datenschutzrechtliche Bedenken
der Grund dafür. Mehrere Tierärzte bezweifelten gegenüber NDR Info 
diese Begründung. "Dass es ausgerechnet in der Geflügelbranche keine 
aufgeschlüsselten Daten geben soll, ist ein Skandal", so der 
Veterinär Rupert Ebner, "hier dürfte die Geflügelwirtschaft viel 
Druck auf die Politik ausgeübt haben." Auch das niedersächsische 
Landwirtschaftsministerium hätte detaillierte Zahlen begrüßt, so 
Helmsmüller. Zu starker Einsatz von Antibiotika kann bei Menschen 
dazu führen, dass sich Resistenzen bilden, also die Mittel im Falle 
einer Krankheit wirkungslos sind.

    Niedersachsen ist das Bundesland mit der größten Geflügeldichte, 
allein hier stehen mehr als die Hälfte aller Hühner-Mastbetriebe in 
Deutschland. Der Verzehr von Hähnchenfleisch ist in den vergangenen 
Jahren immer mehr gestiegen. Die sogenannte Besatzdichte bei 
Masthähnchen liegt bei 39 Kilo, das heißt auf einem Quadratmeter 
leben rund 24 Hühner. Je enger es in den Ställen wird, desto höher 
ist das Risiko für Krankheiten. Seit 2006 dürfen Mäster Antibiotika 
nicht mehr als Wachstumsförderer verfüttern, der Tierarzt gibt 
Medikamente nur noch, wenn Tiere krank sind. Trotzdem ist der 
Verbrauch an Antibiotika gestiegen. Auch wenn nur wenige Hühner krank
sind, bekommen alle Tiere die Mittel, meistens leben mehrere 
Zehntausend in einem Stall. "So gibt es zwar ein Verbot für 
Antibiotika als Wachstumsförderer, aber trotzdem werden mehr 
Antibiotika gegeben - das ist absurd und gefährlich für den 
Menschen", so Veterinär Ebner gegenüber NDR Info.

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