Dienstag, 9. November 2010

Interview mit Desirée Nick

Desirée Nick ist in „Souvenir“, eine Phantasie über das Leben der Florence Foster Jenkins von Stephen Temperley, am 19. November 2010 im theaterhagen zu erleben.

Vorab führte Monika Martincevic folgendes Interview:

Wann zeichnete sich Ihre Liebe zum Showbusiness ab?
D.N.: Ich bin im Ballettsaal groß geworden. Mit 17 hatte ich meine erste Festanstellung als Balletttänzerin an der Oper in Berlin. Demnach war ich es schon sehr früh gewohnt, auf der Bühne zu stehen, und es lag mir auch nicht fern, den Schritt zum Showbusiness zu wagen. Obwohl das nur die wenigsten Tänzer schaffen. Ein Tänzer setzt sich ausschließlich mit der Philosophie seines Körpers auseinander und ist es nicht gewohnt, sich mit der Sprache an sich zu beschäftigen. Ich hatte in dieser Hinsicht zum Glück, diese Barrieren zu überwinden gelernt.

Sie haben eine sehr vielseitige Biografie; sind u.a. Schauspielerin, Entertainerin, Autorin, sprich eine Vollblutkünstlerin.
D.N.: Ich bin im Grunde genommen nie etwas anderes gewesen als Schauspielerin. Daraus hat sich alles entwickelt. Mein erstes festes Engagement als professionelle Schauspielerin war am Stadttheater Remscheid. Dort hatte ich schon nach kürzester Zeit meine eigenen Bühnenshows, deren Konzeption in meinen Händen lag. Ich habe die Texte geschrieben, wählte die Musik aus und stand letztenendes damit alleine auf der Bühne. Somit habe ich mein Repertoire zu erweitern gelernt, was dann natürlich auch Auswirkungen hatte auf meine Biografie, die mit der Zeit immer facettenreicher wurde. Natürlich hat es mir auch Freude bereitet, mich zu entfalten, wobei ich aber die Erfahrung gemacht habe, dass einem die Vielseitigkeit in Deutschland schnell zum Vorwurf gemacht wird. Sobald man eine Sache gut kann, wird man in eine Schublade gesteckt und kommt da auch so schnell gar nicht mehr wieder raus. Es heißt dann einfach „Die kann nur das!“. Die Vielseitigkeit scheint nicht gefragt zu sein bzw. kann man sich in der Öffentlichkeit nicht vorstellen. Man hat mir z. B. nach meinen Bühnenshows immer nur schrille Rollen angeboten und keine „normalen“. Am liebsten würde ich jetzt eine Charakterrolle in einem Musical übernehmen, doch das würde wahrscheinlich wieder zu Irritationen führen.

Woher beziehen Sie Ihre Inspiration für Ihre Arbeit? Welche Aspekte spielen dabei eine Rolle und woran orientieren Sie sich?
D.N.: Ich verfüge über ein reiches Innenleben. Es ist auch immer eine Frage des Talentes. Wenn man kein Talent hat, dann nützt jegliche Inspiration nichts. Ich habe immer wieder Lust, mir etwas Neues einfallen zu lassen. Am liebsten würde ich auch Stücke schreiben, doch davon kann man in der Regel kaum leben. Autorin zu sein, ist für mich Luxus.


Sie haben an der Theologisch-Pädagogischen Akademie Berlin studiert und anschließend als Lehrbeauftragte für katholische Religionspädagogik gearbeitet. Das ist eine Arbeit, die nicht so ganz in Ihr künstlerisches Rollenprofil passt.
D.N.: Das war, als man mir gesagt hatte, dass ich für eine Balletttänzerin zu groß sei und in diesem Beruf nicht mehr weiter arbeiten konnte. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt nicht das Selbstbewusstsein zu glauben, dass ich noch Chancen auf einen Beruf auf der Bühne hätte.

Der Öffentlichkeit sind Sie eher für Ihre spektakulären Soloprogramme und als Entertainerin, die kein Blatt vor den Mund nimmt, bekannt. Die von der Theaterkritik hervorragend besprochenen schauspielerischen Leistungen und z.B. der Filmpreis auf dem Filmfestival von Locarno (1997) rücken dabei eher in den Hintergrund. Wie gehen Sie damit um, ständig im Fokus der Boulevardpresse zu stehen?
D.N.: Ich definiere mich nicht über den roten Teppich und meine mediale Lebensberechtigung beziehe ich auch nicht über die Bunte. Es ärgert mich zunehmend, dass die Theaterarbeit immer wieder überlagert wird durch die Medien. Ich könnte 100 Jahre Theater spielen und hätte immer noch nicht den Bekanntheitsgrad wie wenn ich in einer Talkshow im Fernsehen auftreten würde. Als ich 14 Tage in dieser Dschungelshow zu sehen war, haben jeden Tag ca. acht Millionen Menschen zugeschaut. Das muss man sich mal vorstellen! Die Relation zwischen Theater und Film – bzw. Fernsehen stimmt einfach nicht. Die Welt ist einfach bekloppt! Es gibt auch diese Theaterfamilien wie damals um Peter Zadek, Peter Stein etc. nicht mehr. Damals haben diese großartigen Regisseure ihre Schäfchen versorgt. Heute arbeiten fast alle freiberuflich und können sich nicht mehr in der Art um „ihre“ Schauspieler kümmern. Wenn ich eine ernste Rolle auf der Bühne übernehme, und das mag vielleicht gut gespielt sein, dann geben sich die meisten Journalisten nicht damit zufrieden und sagen „Ach, tolle schauspielerische Leistung“, sondern fragen dann immer gleich „Warum macht sie das, sie ist doch sonst so schrill?“. Manchmal finde ich das unerträglich.

Am 19. November stehen Sie – mit Karsten Speck als Begleitpianisten – in „Souvenir“ von Stephen Temperley auf der Bühne im theaterhagen. Was erwartet die Zuschauer?
D.N.: Das Stück handelt von dem Leben der Florence Foster Jenkins, die im New York der 1940er Jahre das absolute Gesellschaftsereignis war. Zum prustenden Vergnügen ihres Publikums quälte und quietschte sie sich munter durch die allererste klassische Arienliteratur und hielt das für Kunst. Die Rolle der Jenkins ist meine Leib-und Magenrolle. Vor allem bin ich die absolute Gegenbesetzung. Jenkins war klein, dick und hatte keinen Hals. Sie ist damals zur Ikone und Gallionsfigur geworden, indem sie das bourgeoise Kunstverständnis vollkommen auf den Kopf gestellt hat. Cole Porter, Caruso, Toscanini und wie sie alle hießen, lagen ihr zu Füßen, denn Sie hat etwas bewegt in den Köpfen der damaligen Zeit. Das Ausschlaggebende war jedoch nicht der schlechte Gesang, damit


wird man nicht zur Ikone. Das Interessante schlummerte hinter der Fassade, nämlich die Frage nach dem Motor, dem Antrieb für ihr Tun. Sonst wäre es eine schlichte Tuntenrevue geworden.

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