Dienstag, 28. September 2010

"Der Mann mit der Fliege" als Kommissar von Chamonix

Karl-Heinz von Hassel ist als Kommissar von Chamonix am 6. Oktober 2010 in dem Schauspiel-Gastspiel "Die Falle" von Robert Thomas am theaterhagen zu erleben. Hier, vorab ein Interview.
"Der Mann mit der Fliege" als Kommissar von Chamonix
Wann haben Sie Ihre Liebe zum Schauspiel entdeckt?
Es begann alles ganz klassisch. Ich hatte einen sehr engagierten Klassenlehrer, der uns auf besondere Weise die deutsche Literatur näher brachte. Wir setzten uns schwerpunktmäßig mit den Klassikern wie u.a. Goethe, Schiller, Heine auseinander und adapierten diese auch für die Schultheaterbühne. Als mich dann ein Klassenkamerad für die Rolle des Wilhelm Tell vorschlug, musste ich kurz überlegen und willigte ein. Schließlich war es diese erste Erfahrung mit Wilhelm Tell, die mich dazu veranlasste, später meinem Berufswunsch als Schauspieler nachzugehen.
Anfang der 60er Jahre waren Sie schon an den großen Bühnen in u.a. Zürich, Stuttgart und Hamburg tätig. Mitte der 60er Jahre begann dann Ihre Karriere im Film- und Fernsehbereich und Sie widmeten sich zunehmend der Medienbranche. War das eine Umbruchssituation für Sie?
Damals war das alles noch gar nicht so strikt wie heute in Branchen aufgeteilt. Meine erste einschneidende Berufserfahrung war die als Erzengel Michael in Gustaf Gründgens’ Filmversion von Goethes „Faust“. Ab spätestens Mitte der 60er Jahre gab es viele Parallelbewegungen in der Kunst, genauer gesagt auch in der darstellenden Kunst. Viele Schauspieler gingen damals zu Kurt Hübner nach Bremen, der ein unglaubliches Gespür für junge Talente hatte. Im Filmbereich kam die „Nouvelle Vague“ zum Tragen, und Regisseure wie u.a.Godard, Schlöndorff, Wenders wurden für ihre außergewöhnlichen Handschriften bekannt. Mich haben vor allem die neuen, unterschiedlichen Erzählweisen interessiert, vor allem im Bereich der Literaturverfilmungen. Zudem kam Ende der 50er Jahre ein neues Volksmedium auf den Markt, das Fernsehen, das natürlich auch für Furore sorgte. Es spielte sich so Vieles parallel ab, und für einen Schauspieler waren die Grenzen zwischen den unterschiedlichen Medien fließend.
Zehn Jahre später gehörten Sie zu dem legendären Kreis um Rainer Werner Fassbinder.
Ich habe in meinem Leben zwei Genies kennen gelernt. Das eine war Gustaf Gründgens, das andere Rainer Werner Fassbinder. Insbesondere zu Fassbinder pflegte ich eine freundschaftliche Beziehung. Er war eine herausragende Künstlerpersönlichkeit, der sich nicht nur oberflächlich für die Rolle des Schauspielers, sondern auch für den Menschen dahinter interessierte. Es war jedes Mal eine große Herausforderung für ihn zu arbeiten, denn er bot den Schauspielern immer einen immensen Freiraum an Entwicklungs- und Entfaltungsmöglichkeiten. Zudem verfügte er über eine große Toleranz den Darstellern gegenüber, so dass man immer die Gelegenheit hatte, sich neu auszuprobieren, ohne sich gleich im vorhinein festlegen zu müssen. Er war auch sehr neugierig, und für ihn war es wichtig, dass man der Rolle etwas Eigenes hinzufügte und dass man das, was man darstellen wollte, auch kreativ umsetzte.
Mitte der 80er Jahre kam die Rolle des hessischen Tatort-Kommissars Edgar Brinkmann dazu, mit der Sie als „der mit der Fliege“ eine große Poularität erlangt haben.
In den früheren Tatorten stand ich noch mit Theo Gärtner auf der Gangsterseite. Ab November 1985 bis August 2001 war ich dann als „der mit der Fliege“ im Fernsehen zu erleben. Die Tatort-Reihe hat mir sehr viel Spaß gemacht. Sie hat mich bekannt gemacht, und es war eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe, aus der heraus sich viele persönliche Sympathien entwickelt haben.
Haben Sie eine Lieblingsrolle?
Für einen Schauspieler zählt immer die vor ihm liegende Arbeit, die jedes Mal eine neue Herausforderung darstellt. Ich spiele alle Rollen, die ich annehme, sehr gerne und habe demnach keine wirkliche Lieblingsrolle. Ausschlaggebend ist immer die Konstellation, in der man arbeitet. Wenn das Team, sprich Regisseur, Schauspieler-kollegen etc. stimmt, dann ist das eine wunderbare Sache.
Haben Sie neben der Bühne noch weitere Leidenschaften?
Ich lese sehr viel. Mein größtes Interessensgebiet ist die Epoche von 1740 bis 1830, als die bürgerliche Klasse beginnt innerhalb der Gesellschaft ihre Position zu beziehen. Ich finde es äußerst spannend, mich aus literaturwissenschaftlicher, philosophischer und soziologischer Perspektive mit der Aufklärung und ihren Folgen zu beschäftigen.
Nun stehen Sie als Kommissar von Chamonix in "Die Falle" von Robert Thomas am 6. Oktober 2010 im theaterhagen auf der Bühne. Ist das eine Wiederkehr des Kommissar Brinkmann alias Kommissar von Chamonix und was erwartet die Zuschauer?
Das Stück, das thematisch aus den frühen 50er Jahren stammt, ist noch vor der Zeit des Fernsehens angesiedelt. Es ist unglaublich gut geschrieben, ein spannender Kriminalklassiker, und der Zuschauer wird beim Betrachten dazu verleitet, seiner Phantasie freien Lauf zu lassen. Es ist wie beim Weihnachtsmärchen. Man wird förmlich in die Handlung „hineingezogen“ und entwickelt diverse Sichtweisen auf die handelnden Figuren, ohne den Spannungsbogen zu verlassen. Wir sind zurzeit mit dem Kriminalstück auf Tournee durch Deutschland, und die Zuschauer waren bisher jedes Mal begeistert. Im Übrigen: Als Kommissar von Chamonix trage ich keine Fliege.

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